„Das Kochen mit Gewürzen erfordert eine gewisse Demut“

Interview Teil 1 mit Pascal Haag – veganer Koch und Gewürz-Koryphäe
Pascal Haag
Pascal Haag Koch, Kochbuchautor & Rezeptentwickler

„Geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst!“ Dieses Sprichwort würde der Schweizer Pascal Haag, wohl eher als Aufforderung verstehen und sofort dahin reisen, wo der Pfeffer wächst. Nach Indien nämlich! Denn Pascal liebt Gewürze, ihre Düfte, die Aromen und die Vielfalt. Auf seinen Reisen hat er schon viele Gewürzfelder besucht und sich mit den Landwirten und Gewürzhändlern vor Ort ausgetauscht.

Mit diesem Erfahrungsschatz im Gepäck und seiner langjährigen Expertise als (Vegan-)Koch ergibt sich eine verlockend-köstliche Gemüseküche, die einen staunend zurücklässt ob der unglaublich neuen Geschmäcker, die man dabei erlebt.

Wir freuen uns riesig, dass Pascal jetzt auch als Trainer bei der Vegan Masterclass seine Gewürzkenntnisse in der Spices Masterclass Vol.1, an alle, die Lust auf mehr oder neue Aromen haben, weitergibt! Im ersten Teil des Interviews gibt Pascal einen Einblick in seinen Online-Kurs, verrät uns welche Gewürze viel zu unterschätzt sind und auch welche er selbst am meisten mag.

Magst du dich kurz vorstellen? Welche (Koch-)Stationen und Themen liegen dir am meisten am Herzen, was machst du aktuell? 

Pascal: „Ich bin Pascal Haag, 38 Jahre alt, und komme aus Zürich. Nach meiner Kochlehre arbeitete ich auf der Kanalinsel Guernsey und später in verschiedenen Restaurants in Zürich. Die prägendste Zeit meiner Karriere war im Restaurant Hiltl. Seit 2014 bin ich selbständig tätig und widme mich verschiedenen Projekten. Zuerst lag mein Fokus auf vegetarischer Küche, und seit 2019 habe ich mich auf vegane Küche spezialisiert.

Ich arbeite an Projekten und Kollaborationen mit Gastrobetrieben und Food-Unternehmen, wo ich Köch*innen schule und berate und Gastronomiebetrieben dabei helfe, ihre Menükarte um vegane Gerichte zu erweitern.

Mein Hauptaugenmerk und meine Leidenschaft liegt dabei auf der würzigen Gemüseküche. Gemüse, Gewürze und Hülsenfrüchte sind meine Lieblingsthemen. Auch außerhalb der Gastronomie beschäftige ich mich intensiv mit diesen Themen.

Als Co-Autor des preisgekrönten Kochbuchs „Leaf to Root“ konnte ich mein Fachwissen einem breiten Publikum zugänglich machen. Des Weiteren durfte ich die Rezepte für das Kochbuch „Gemüse.“ der Firma Feuerring entwickeln. Und in der mehrjährigen Zusammenarbeit mit SoulSpice habe ich auch schon verschiedene Gewürzmischungen für die Gemüseküche kreiert.“

Pascal Haag
Pascals eigene Gewürzmischungen für SoulSpice
Ein weiteres Herzensthema von dir ist die Welt der Gewürze. Wie bist du zum „Spice Master“ geworden und was fasziniert dich am meisten daran?

Pascal: „Die Faszination für sie begann nach meiner Kochausbildung, als ich unter einem indischen Küchenchef auf der Kanalinsel Guernsey arbeitete. Der Chef bereitete seine würzigen Gerichte immer im Verborgenen zu, um sicherzustellen, dass niemand seine geheimen Tricks im Umgang mit Gewürzen herausfand. Von diesem Moment an war ich fasziniert und je mehr ich mich mit der Vielfalt der Gewürze und Gewürzpflanzen beschäftigte, desto grösser wurde meine Begeisterung. Ihre Farben, Düfte und Formen erwecken meine Experimentierfreude bis heute. Durch zahlreiche Reisen, Gespräche mit (Hobby)Köch*innen aus verschiedenen Kulturen und Besuche auf Gewürzfarmen konnte ich mir ein umfangreiches Wissen und zahlreiche Ideen aneignen.“

Pascal Haag
Gewürzexperten unter sich – © Larissa Bernet
Pascal Haag
Auf dem Markt in Jordanien – © Larissa Bernet
Welches Gewürz und welche Gewürzmischung werden deiner Meinung nach völlig unterschätzt?

Pascal: „In Sachen Gewürze hat sich bei uns in den letzten Jahren so einiges verändert. Während früher nur wenige Gewürze wie zum Beispiel Pfeffer, Paprika, Kümmel und Muskat zum Würzen verwendet wurden, boomt die Welt der Gewürze heute und das Angebot ist schier unendlich. Der Zugang zu exotischen Gewürzen aus dem letzten Winkel unserer Erde ist nicht nur einfach, sondern auch preislich erschwinglich geworden. Trotzdem haben sie in den Gerichten bei uns nicht den Stellenwert wie in anderen Ländern. Wenn man indisch essen geht, denkt kaum jemand daran, diese Aromen und Gewürze auch in unsere Küchen zu integrieren. Dabei würden gerade Gewürze den Speisen eine besondere Note geben, Emotionen wecken und Geschichten erzählen. Um auf deine Frage zurückzukommen, denke ich also, dass Gewürze im Allgemeinen noch zu sehr unterschätzt werden.

Auch ich selbst lerne ständig dazu, besonders durch die Zusammenarbeit mit SoulSpice. Drei Beispiele für Gewürze, die auch ich lange unterschätzt habe, sind weisser Pfeffer, grüner Pfeffer und Kurkuma.

Weisser Pfeffer war für mich lange Zeit eine Diva, die muffig nach Kuhstall roch, und ich wusste nicht genau, wie ich ihn richtig einsetzen sollte. Boris Rafalski von SoulSpice erklärte mir jedoch, dass dies nichts mit dem weissen Pfeffer selbst zu tun hat, sondern mit der Produktion. Wenn das Wasser, in dem der Pfeffer einige Tage eingeweicht wird, um ihn zu schälen, nicht oft genug gewechselt wird, kann er muffig werden. Ich habe diesen Pfeffer also unterschätzt, weil ich zuvor nie gute Qualität hatte.

Beim grünen Pfeffer kannte ich zuvor nur den in Lake eingelegten. Ich mochte ihn deshalb nicht besonders, weil sein Aroma durch die Lake immer so essiglastig war. Als ich den getrockneten grünen Pfeffer von SoulSpice kennenlernte, eröffnete sich für mich mit diesem Gewürz eine ganz neue Welt.

Und Kurkuma war auch für mich lange nur ein toller Farbstoff und ein wichtiger Bestandteil einer Currymischung. Kurkuma kann geschmacklich sehr wichtig in einem Gericht sein, wenn die Qualität gut ist. Ein tolles Einstiegsrezept, in dem Kurkuma eine bedeutende Rolle spielt, ist das Gericht „Emmer mit Aubergine, Kurkuma und Tofu-Feta“, das du in meiner Masterclass finden kannst. Vor einigen Wochen zeigte mir Boris seinen neuen Kurkuma, welcher aus Kambodscha ist. So ein fruchtiges und intensives Kurkumaaroma hatte ich zuvor noch nie.“

Kohlrabi mit Tempeh, Frühlingszwiebeln und grünem Pfeffer“ aus der Spices Masterclass Vol.1
Emmer mit Aubergine, Kurkuma und Tofu-Feta“ aus der Spices Masterclass Vol.1
Welche Gewürze sollten in jeder Küche einen festen Platz haben? Neben den Klassikern wie z.B. Pfeffer und Paprikapuver?

Pascal: „Grundsätzlich fängt es, wie bereits zuvor beschrieben, bei den Klassikern an. Paprika ist nicht gleich Paprika. Es gibt einen grossen Unterschied zwischen qualitativ hochwertigem Paprika und einer günstigen Variante. Beim Pfeffer gibt es den grünen, den schwarzen, den roten und den weissen, und alle lassen sich ganz unterschiedlich einsetzen. Ansonsten gehören für mich Kreuzkümmel, Koriandersaat, Kurkuma, Senfsaat, Fenchelsaat und Piment in jede Küchenschublade.“

Du plädierst ja dafür Gewürze lieber frisch zu mahlen bzw. zu mörsern. Warum? Und worauf sollte ich bei der Wahl des Mörsers achten?

Pascal: „Das Mahlen von Gewürzen in einem Mörser erfordert etwas Übung, aber mit ein wenig Geduld, einem guten Mörser und der richtigen Technik gelingt es gut. Ein robuster, grosser und schwerer Mörser eignet sich am besten, um kleinere Gewürzmengen von Hand zu mahlen. Je nach Gewürzart werden entweder ganze oder bereits gebrochene Gewürze verwendet. Die Gewürze werden in den Mörser gelegt und mit einem Stössel durch druckvolles Reiben zerkleinert. Der Vorteil des Mörsers besteht darin, dass man selbst bestimmen kann, wie fein man die Gewürze mahlen möchte.“

Mit welchen Mythen oder Unwahrheiten rund um Gewürze wirst du immer wieder konfrontiert?

Pascal: „Oh, da gibt es ganz viele: Kreuzkümmel und Kümmel sind nicht gleich und austauschbar. Die Gewürze haben unterschiedliche Aromen. Kreuzkümmel kann nicht einfach durch Kümmel ersetzt werden, da dies zu einem ganz neuen Geschmacksprofil führt.

Die rosa Beeren, die fälschlicherweise als rosa Pfeffer bezeichnet werden und oft in Pfeffermischungen zu finden sind, gehören nicht zur Familie des Pfeffers. Sie stammen von einer anderen Pflanze, dem Brasilianischen Pfefferbaum, der zur Familie der Sumachgewächse gehört. Auch Szechuanpfeffer, Cayennepfeffer, Jamaica-Pfeffer, Sansho, Mönchs-Pfeffer und Paradieskörner gehören nicht zur Familie des Pfeffers.

Koriandersamen und Korianderkraut haben ein komplett unterschiedliches Geschmacksprofil und schmecken nicht gleich.“

Hast du Tricks auf Lager, wie man zu pikant gewürztes Essen noch retten kann?

Pascal: „Grundsätzlich ist es wichtig, scharfe Gewürze sehr vorsichtig zu dosieren. Was für den einen als scharf empfunden wird, kann für den anderen möglicherweise fade sein. Unterwürzung ist kein Problem, aber Überwürzung sollte vermieden werden. Um die Schärfe eines Gerichts etwas auszugleichen, können je nach Gericht geschälte Tomaten, Kartoffeln oder eine Milchalternative hinzugefügt werden. Man kann auch Zucker oder eine Alternative wie Ahornsirup oder Birnendicksaft verwenden, sollte jedoch darauf achten, dass das Gericht nicht zu einem Dessert wird.“

Deine Top 3 Gewürze und Gewürzmischungen?

Pascal: „Das ist eine besonders schwierige Frage für mich. Bei den Einzelgewürzen sind es wohl Kurkuma, Pfeffer (besonders der rote aus Kambodscha und der grüne) und Piment.

Bei den Gewürzmischungen sind es natürlich meine eigenen Kreationen. Es ist schwierig, nur drei auszuwählen, aber spontan würde ich sagen: Green Umami, Dukkah und Café de Paris.

Obwohl Dukkah eine traditionelle Gewürzmischung ist und keine eigene Kreation, habe ich lange daran herumgetüftelt und finde sie wirklich grossartig. Ich habe in der jordanischen Hauptstadt Amman intensive Scouting-Touren gemacht, um die beste Mischung zu finden. Dabei habe ich unzählige Dukkahs verkostet und die besten davon mit nach Hause genommen. In meiner Entwicklungs­küche verbrachte ich Stunden damit, zu feilen und ein noch raffinierteres Dukkah zu kreieren.“

Welche Learnings kannst du Menschen mitgeben, die jetzt Lust bekommen haben gezielter mit Gewürzen zu kochen?

Pascal: „Wichtig ist, dass man qualitativ hochwertige Gewürze verwendet. Das Kochen mit Gewürzen erfordert eine gewisse Demut. Wer sich auf die Gewürze einlässt und mutig in kleinen Schritten Neues wagt, wird ganz Neues entdecken.

Unser Tipp wäre natürlich unbedingt in deinen Kurs „Spices Masterclass Vol.1“ reinzuschauen. Dort stellst du neben dem Theorieblock 15 wundervolle Rezepte vor. In jedem Rezept ist ein anderes Gewürz der Star auf dem Teller. Was hat dir am meisten Spaß gemacht als du den Kurs konzipiert hast?

Pascal: „Generell war es spannend, Dinge auszuprobieren. Ich fand es besonders interessant, mich intensiver auf einzelne Gewürze zu konzentrieren, um das Beste aus ihnen herauszuholen. Und natürlich hat es auch viel Spass gemacht, vor Ort bei euch die Videos aufzunehmen.“

Fregola Sarda mit Tomate, Fenchel, Kapern und Zimt“ aus der Spices Masterclass Vol.1
Rote Bete aus dem Ofen mit Belugalinsen, Vanille, Kräutern und Pistazien“ aus der Spices Masterclass Vol.1
Du hast uns verraten, dass „Fregola Sarda mit Tomate, Fenchel und Zimt“ dein Lieblingsrezept aus dem Kurs ist. Erst einmal: Was ist Fregola Sarda überhaupt und was macht das Gericht für dich aus?

Pascal: „Fregola Sarda ist eine traditionelle sardische Pasta aus Hartweizengriess und Wasser. Sie ähnelt grobem Couscous aus der arabischen Küche. Der Unterschied besteht darin, dass die „Fregola“ im Ofen geröstet werden und dadurch das charakteristische Röstaroma entwickeln. Sie sind in Feinkostläden und größeren Supermärkten erhältlich.

Ich bereite die Fregola Sarda ähnlich wie Risotto zu, indem ich sie zuerst andünste und dann mit Flüssigkeit aufgiesse. Die Kombination aus Fregola, Tomatensauce, Zimt und gebratenem Fenchel passt hervorragend zusammen. Das Gericht lässt sich einfach zubereiten und ist dennoch etwas Besonderes, das nicht jeder bereits kennt. Für mich ist es ein richtiges Soul-Food-Gericht.“

Der Kursname „Spices Masterclass Vol.1“ verrät schon, dass es wohl auch einen zweiten Teil geben wird. Kannst du einen kleinen Sneak Peak dazu geben? Was erwartet uns da?

Pascal: „Während es in „Spices Masterclass Vol.1“ um einzelne Gewürze geht, dreht sich in „Spices Masterclass Vol.2“ alles um Gewürzmischungen. Unter anderem zeige ich, wie man eines meiner Lieblingsgerichte, gebackener Blumenkohl mit Bohnenpüree, Tofu-Feta, Kräutern und Dukkah, zubereitet.

Natürlich gehe ich auch detailliert auf verschiedene traditionelle und von mir kreierten Gewürzmischungen ein. Und ich zeige den Teilnehmenden, worauf man achten sollte, wenn man eine eigene Gewürzmischung kreieren möchte.“

Gebackener Blumenkohl mit Bohnenpüree, Dukkah und Tofu-Feta“ aus der Spices Masterclass Vol.2
Dinkel mit Auberginen, Gurken, Pistazien und Zaatar“ aus der Spices Masterclass Vol.2
Abschließend wollen wir mit dir noch eine schnelle Küchen-Fragerunde machen!

Welches deiner Rezepte hat in der Entwicklung am längsten gedauert bis du zufrieden warst?Pascal: „Das ist bei fast jedem Gericht so. Ich habe immer wieder das Gefühl, dass ich das eine oder andere noch am Gericht verbessern könnte. Beispielsweise habe ich Jahre damit verbracht, am veganen Tatar für das Hiltl herumzubasteln, bis ich endlich mit Geschmack, Konsistenz und Farbe zufrieden war.“

Wenn du einen Rat an dein 16-jähriges (Koch-)Ich geben könntest, welcher wäre das
Pascal: „Lass dich nicht von schreienden Küchenchefs und fliegenden Pfannen entmutigen. Gehe deinen eigenen Weg, sei mutig, stecke Liebe in deine Gerichte und habe Vertrauen.“

Was war dein Lieblingsgericht als Kind und was als Erwachsener?

Pascal: „Als Kind war mein Lieblingsgericht Risotto mit Saltimbocca und Spaghetti mit Pesto. Als Erwachsener könnte ich jetzt unzählige Gerichte aufzählen, die zu meinen Favoriten zählen.“ 

Welche Länderküche magst du besonders gern?

Pascal: „Schwierig, aber ich würde sagen, dass ich die Küche der Levante am meisten mag.“

Wenn man dich bei sich zu Besuch hat…mit welchem Gericht könnte man dich besonders glücklich machen?

Pascal: „Am liebsten mag ich es, wenn ich zum Brunch eingeladen werde. Aber ich geniesse es auch, wenn mir ein einfaches und schmackhaftes veganes Gericht serviert wird, in das viel Liebe gesteckt wurde.“

Vielen lieben Dank für die Einblicke, lieber Pascal!


Nächste Woche geht unser zweiter Teil des Interviews online. Wir freuen uns schon auf Pascals anderes Herzensthema: die Gemüseküche. Allen voran die Verwertung von Gemüse von der Wurzel bis zum Blatt. Und er verrät uns, bei welchem Gemüse sein Messer beim Schneiden kaputt ging 🙂


Die Spices Vol.1 Masterclass mit Pascal Haag

Mehr Geschmack gefällig? Gewürze sind mittlerweile buchstäblich in aller Munde. Kein Wunder! Bringen sie doch die köstlichsten und duftendsten Aromen in die eigenen vier Wände! Lerne wie du mehr Würze auf den Teller bringst und lass dich von Piment, Zimt, Schwarzkümmel und Co. begeistern.

Let’s spice up your food!

Hier geht es zum Kurs


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